2021-12-08 17:50:16
,,Der heilige HerdTeil 1
Das Feuer ist in den ältesten Mythen der Menschheit zum Sinnbild des Aufstieges der Menschheit geworden; als Wahrer und Beherrscher des Feuers unterscheidet sich der Mensch am sichtbarsten von den Tieren, die allesamt das Feuer fürchten. Jener mythische Prometheus, der den Menschen das Feuer vom Himmel geholt hat, wurde zum Inbegriff des Vorausdenkenden, der im Kampfe mit den Naturgewalten diesen selbst im Feuer den mächtigsten Landsmann abgewann. Im Hause der nordischen Urzeit loderte der heilige Brand in der steinernen Feuergrube inmitten des Wohnraumes; einzige Quelle von Wärme, Licht und Wohnlichkeit, wenn die nordische Winternacht das große, feurige Tagesgestirn verschlungen zu haben schien. Dann war der heilige Brand das sorgfältig gehegte Sinnbild und Unterpfand des Weltenlichtes, das in der Unterwelt den Kampf mit Lindwürmern und Unholden zu bestehen hatte; soweit es Licht und Wärme verbreitete, bannte es das Leben selbst in seinen Kreis, und in diesem Kreise mag der uralte, ewige Mythos vom lichten Sonnenhelden und von seinen Taten und Leiden zuerst gedichtet worden sein. Ein Element und Sinnbild des Lebens ist es auch in späteren Zeiten geblieben, als das alte Wohnhaus sich weithin in Länge, Breite und Höhe ausgedehnt hatte; als es sich auf Ständern aus Eichenstämmen emporgereckt hatte und ein gewaltiges, weitausladendes Dach trug, in dessen dämmeriger Höhe sich die Funken des prasselnden Herdfeuers verflogen, und durch dessen Ritzen und Fugen der Rauch sich seinen Weg nach außen suchte. Die Feuergrube rückte zum oberen Ende des langen Rechteckhauses, wo der lehmgestampfte, gedielte oder steinbelegte Teil der Halle war, der in Norddeutschland noch heute mit einem uralten Namen als „Flett" bezeichnet wird. Auf diesem Flett, in der Königshalle wie im Hause der freien Bauern, wuchsen die Kinder auf, wie es uns die alten Heldenlieder berichten; der heilige Herd war hier und dort der Mittelpunkt des Sippenlebens, und aus ganz alter Überlieferung können wir schließen, daß ursprünglich sogar der Ahne selbst unter der Herdstelle begraben worden ist. Am heiligen Herde stand der Sitz der Frau, die hier als Königin des Hauses thronte, wie der Fürst in der Königshalle unter seinen Getreuen den Sitz am Feuer hatte, und wie die Bäuerin in Westfalen heute noch vom Herdsitze aus das ganze Haus überschauen und lenken kann. Sie ist gewissermaßen die Hüterin des heiligen Feuers selbst; und als Trägerin dieser Aufgabe mag sie aus den urtümlichen Verhältnissen des Hauses auch die Hüterin des heiligen Feuers geworden sein, das die größten Kultgemeinschaften an den Mittelpunkten ihrer Gottesverehrung unterhielten. Denn die Vorstellungen und Einrichtungen des Götterdienstes waren bei den nordischen Völkern aus dem engeren Bereiche des Sippenlebens und der Sippenordnung in die größeren Maßstäbe der Welt und der Weltordnung übertragen; wie ja auch das Wort „Heim" in der nordischen Sprache gleichzeitig sowohl den engeren Schauplatz des Sippenlebens wie auch den Schauplatz des gesamten Weltgeschehens bezeichnet. So hat sich bis in unsere Zeit der Brauch erhalten, daß die junge Frau beim Einzug in ihr neues Heim dreimal um den Herd geführt wurde, wodurch sie die Herrschaft über das Innere des Hauses antrat. Dort, wo der Herd ganz an die Rückwand des Hauses gerückt war, wie es bei dem Sachsenhause später meistens der Fall war, wurde sie wenigstens um den Kesselhaken, das „Hahl", geführt, das mit seiner kunstvollen Schmiedearbeit und seinem reichen Sinnbildgehalt ein ganz besonderes Schmuckstück des Hauses war. Mit seinen Jahresrädern, mit den Sonnenscheiben und allerlei Getier aus der Sagen und Märchenwelt hat es die Überlieferung aus jener Zeit bewahrt, in der man in dem heiligen Herdfeuer das Abbild des großen Sonnenfeuers verehrte."
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