2022-08-25 09:23:20
Hexensabbat
Berühmt-berüchtigt ist die Volkssage vom Hexensabbat auf dem Blocksberg: Nach altem Aberglauben treffen sich in der Nacht zum ersten Mai die Hexen und die Unholde im Harz, auf dem höchsten Berg von Norddeutschland, dem Brocken, und begehen dort Walpurgisnacht. Sie tanzen mit den Teufeln und feiern wilde Orgien. Sie zechen, zaubern und praktizieren Sexualmagie. Sie zelebrieren einen gotteslästerlichen Satanskult und haben einen Heidenspaß,.
Nach Ansicht der Grimms handelt es sich bei der Hexensabbat-Sage um die christianisierte Variante eines vorchristlichen Fruchtbarkeitsmythos und -rituals zu Frühlingsanfang, nämlich die heilige Hochzeit der Göttereltern Wotan und Frija auf dem geweihten Götterberg, zu dem die Heiden der umliegenden Ländereien ziehen, um den letzten Schnee des Winters weg zu tanzen:
Es ist bekannt, daß allgemein in Deutschland ein jährlicher hauptauszug der hexen auf die erste mainacht (Walpurgis) angesetzt wird, d. h. in die zeit eines alten opferfestes und der alten maiversammlung des volks. Am ersten mai wurden noch lange die ungebotenen gerichte, auf diesen tag fiel das fröhliche maireiten, das anzünden des heiligen feuers: der tag ist einer der hehrsten des ganzen heidenthums. ( Grimm, Jakob )
Die mittelalterlichen Missionare, die das Christentum „mit eiserner Zunge“ predigten, hätten die alten Götter der Germanen umgestaltet und zu Teufeln degradiert, die alttradierten Mythen dämonologisch pervertiert und die heidnischen Jahresfeste zu Hexenwerk und Götzendienst gedeutet. Dieser Standpunkt findet sich übrigens schon bei Goethe, der bereits im Jahre 1799 - also 35 Jahre vor der Deutschen Mythologie von ‚Jacob Grimm - ein an den Stil der Volksballade angelehntes Gedicht - mit dem Titel .Die Erste Walpurgisnacht schrieb: Darin wird die Walpurgisnacht als ur-germanischer Naturmythos und -kult gedeutet, der durch die mittelalterliche interpretatio christiana zu einem Hexensabbat und Satanskult verkehrt wurde.
Seit Carlo Ginzburgs Buch zum Hexensabbat (ital. 1989, dt. 1997) weiß man, dass Goethe und die Grimms recht hatten: Am Beispiel der Benandanti, einer Volksgruppe aus dem Friaul im nordöstlichen Italien des 16. und 17. Jahrhunderts, zeigt Ginzburg auf, dass die Imagination vom Hexensabbat ursprünglich auf die Naturrituale heidnischer Bauern zurückgeht, die „im Geiste“ für die Fruchtbarkeit der Felder „kämpfen“ — auf „Elemente schamanistischer Provenienz, die in der Volkskultur bereits fest verwurzelt waren, so etwa der magische Flug und die Tierverwandlungen“.”
Schon Grimm hat die Hexentänze in der Mainacht mit den altgriechischen Dionysien verglichen. Tatsächlich gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten:
Nur Frauen und Mädchen nahmen daran theil. In Hirschkalbfelle gekleidet, den Thyrsus schwingend, Handpauken schlagend, mit fliegenden Haaren, versammelten sie sich auf Bergen und verweilten mehrere Tage, in verrengten Stellungen tanzend und schwärmend, und bedeutungsvolle Opfer darbringend; sie zerrissen z. B. einen Bock oder Stier mit den Zähnen und verzehrten sein rohes Fleisch.
Im Mittelpunkt der Dionysien stand ebenfalls ein Bock. Zusammen mit den weiblichen Mänaden versammelten sie sich auf dem Parnassos genannten griechischen Blocksberg, Nicht ohne Grund wird immer wieder der Verdacht geäußert, dass die Bezeichnung Hexensabbat sich von einem alten Beinamen des griechischen Ekstasegottes ableitet: Dionysos-Sabazios.
Die unheimliche Hauptfigur des Hexensabbats ist die Hexe. Aber was ist eine Hexe eigentlich? Ein altes böses Weib mit Warze auf der Nase, das Kinder frisst und einen Teufelspakt geschlossen hat? Die Grimms vermuten, dass es sich bei diesern stereotypen Bild der Hexe um eine christliche Verunglimpfung handelt. Jacob schreibt:
Die hexen gehören zum gefolge ehemaliger göttinnen, die von ihrem stul gestürzt, aus gütigen, angebeteten wesen in feindliche, gefürchtete verwandelt, unstät bei nächtlicher weile umirren und statt der alten feierlichen umzüge nur heimliche, verbotene zusamrnenkünfte mit ihren anhängern unterhalten.”
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