2021-12-10 21:03:41
JUGEND IM WESTEN, JUGEND IM OSTEN
Noch in den 2000-er Jahren spürte man bei Menschen, die ihre Jugend im Osten verlebt hatten, das Gefühl, im Vergleich mit der Wessi-Jugend irgendwie provinzieller, ärmlicher aufgewachsen zu sein. Es hatte zwar eine Ost-Musikszene gegeben, aber die Gitarren, Verstärker: alles importiert, bis hin zum DX-7 von Karat. OK, der eine oder andere Experte hatte dann den Gitarrenverstärker aus ausgelöteten Transistoren und anderem Schrott zusammengebaut. Die wahre Musik auf den Parties, die kam aber aus dem Westen.
Und dann diese Kunstseidehemden. Konnte man bei den Westbräuten nicht mit landen.
Und, und, und. Mir hatten ja nüscht.
Im Laufe der Zeit änderte sich das. Heutzutage gibt es ein gesundes Ost-Selbstbewusstsein. Und das speist sich aus geistigen Quellen, die immer stärker sind als materielle. "Im Osten, in der DDR, war es nie einfach, wir waren gezwungenermaßen immer hier in unserem kleinen Lande, aber wir haben das irgendwie gemeistert, sehr oft auch gemeinsam."
Das hört man oft und spürt den Stolz. Der Osten hat tiefere Einblicke in das, was "Politik" und "Staat" bedeutet als der Westen. Und das weiß der Osten auch.
Viele "Wessis" spüren das. Und entwickeln wegen ihres eigenen, von Anfang an beliebigen Lebens einen Minder-Komplex gegenüber den Ossis.
Ja tatsächlich. Vielleicht achtet man mal drauf, wenn man mit Wessis, die in den Achtzigern jung waren, über ihre Jugend und was danach kam spricht. Dieses "ich weiß weder woher, noch wohin, noch warum" ist oft zu spüren. Eine Form innerer Hilfebedürftigkeit.
Wer Ossi ist und verstehen will, wie diese spezifisch-westliche Ziel- und Sinnlosigkeit aussah, der kann sich einmal den Film "Neue Vahr Süd" anschauen. Das ist eine ARD-Produktion aus dem Jahre 2010, also einer Zeit, als der ÖRR noch halbwegs funktionierte.
Der Film spielt im west-linken Milieu. Das war in den Achtzigern die Jugendkultur der alten Bundesländer. Diese Jugendkultur hat außer physischer Zerstörung, Nihilismus und übernommenen Maximen nichts hervorgebracht, und brachte seinen Anhängern keinen inneren Reichtum. Der Film, der als Mileu-Kommödie daherkommt, zeigt das mit gefühlvoller Weisheit.
Wer das als Wessi sieht, ist wahrscheinlich deprimiert. Als Ossi wird man sich vielleicht wundern; aber es ist sehr bildsam .
Also, Empfehlung für das Wochenende. Läuft z.B. auf Netflix.
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