2022-07-10 19:18:06
Geheimnisse aus der Pflanzenwelt
Juli 2022
Wir glauben die Welt zu sehen. Aber in Wirklichkeit sehen wir wenig.
Wenn wir zum Beispiel durch den Park oder einen Waldweg entlanggehen, schweifen unsere Gedanken hierhin und dorthin, wir denken an dies und das. Die Bäume mit ihrem frischen grünen Laub, die blühende Wiese, ihre Kräuter und wiegenden Halme nehmen wir lediglich nur am Rande wahr. Wenn uns plötzlich eine Fülle gelber Blüten entgegenleuchtet, checken wir das. Ach ja, Löwenzahnblüten! Alles klar. Kenn‘ ich schon. Unser vorwitziger Intellekt weiß schon alles, da braucht man nicht weiter hinzuschauen.
Wir gehen durch die Welt wie Halbblinde. Heutzutage mehr als in früheren Zeiten. Wir sind gar nicht mehr gewohnt, richtig zu schauen, in eine Erscheinung hineinzuschauen, hineinzusinnen.
Die moderne Technologie – der PC und Fernseher, Handy, Autos, Transrapid – hat uns hinweggezogen von der Gemächlichkeit, die für ein schauendes Wahrnehmen erforderlich ist. Sie hat uns anders erzogen als Ochsenkarren oder Schusters Rappen es einst taten. Mit der Fernbedienung zappen wir durch hundert Sender und checken in Sekundenbruchteilen, ob das ausgestrahlte Programm uns befriedigen würde. Schneller als galoppierende Pferde rasen wir über Asphaltbahnen. Landschaften schrumpfen, Gebäude, eintönig grüne oder braune Felder und wirres Grünzeug flitzen ohne Bezug vorbei, lösen sich auf. Einzelne Düfte, Farbnuancen, Gestalten, Stimmungen können wir dabei nicht mehr wahrnehmen.
So schwindet die Natur für uns, aus unserem unmittelbaren Bewusstsein; immer fremder wird sie uns. Auch die organisch gewachsene Kultur, sich windende Landstraßen, Baumalleen, die alten Gemäuer, die von vergangenen Zeitepochen raunen, lösen sich auf und regen unsere Imagination kaum mehr an.
Ja, es scheint, dass der kanadische Medientheoretiker H. Marshall McLuhan (1911-1988) mit seinem Lehrsatz „Das Medium ist die Botschaft“ (The medium is the message) recht hat. Damit will er sagen, dass nicht der Inhalt der Medien und der Technologien das Wesentliche ausmachen, sondern deren Einwirkung auf unser Wahrnehmen, unsere Lebensweise und soziales Verhalten. So erzog der Buchdruck die Menschen zum linearen Denken und löste die vorhergehende ikonographische, bildhafte Denkweise, die analphabetischen Gesellschaften eigen ist, ab. Nun lösen die vernetzten elektronischen Medien das unmittelbar sinnlich Vorgegebene ab, ja löschen es für uns aus. Die im Fernsehen dargestellten Dschungelgewächse sind nun näher als das Gänseblümchen auf der Wiese vor dem Haus. In diesem virtuellen globalen Dorf ist der AIDS-kranke Afrikaner näher als der kranke Alte im selben Wohnblock.
Die eigentliche Natur rückt in die Entfernung. Kinder erleben die Pflanzen im Schulbuch, im Lehrfilm, unter dem Mikroskop als Abbild oder Präparat, losgelöst vom Eingebettetsein in Mit- und Umwelt. Diese Betrachtungsweise macht die Seele zu einem „Fremden im fremden Land“.
In dem Vortrag "Die Seele der Natur"
am 3. September 2022 möchte ich euch zeigen, wie wir uns wieder bewusster auf die Natur einlassen können.
122 viewsAngie Marina, 16:18