2021-03-09 17:03:02
Suggestivfragen vom Spiegel, die von einer ganz schlimmen Pandemie ausgehen.
„Dass Streeck die Lockdown-Politik kritisch sieht, ist bekannt. Der „Spiegel“ fragte ihn nun: „Haben Sie Ihre Position als Wissenschaftler missbraucht, um Politik zu machen?“ Und: „Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, Sie hätten die Gefahren der Pandemie verharmlost?“
Dann ging es um Schuld für Leben und Tod: „Sehen Sie sich in der Mitverantwortung für die getroffenen oder auch unterlassenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung? Und in diesem Zusammenhang auch für viele Menschen, die gestorben sind?“ Und der Ton war noch steigerbar.
Streeck sah sich von der „Spiegel“-Redaktion mit einer Frage konfrontiert, die in den Beichtstuhl gehört oder in den Gerichtssaal: „Bereuen Sie diese mehrfach öffentlich geäußerte Fehleinschätzung?“ Es ging um seine Haltung zum Lockdown. Schuld und Reue – Journalisten als Richter über wahr und falsch, gut und böse?
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Für öffentliche Aufregung sorgte zuletzt ein „Spiegel“-Artikel, vor allem die Grafik darin: Eine Zeitleiste schloss den Pandemieverlauf samt dessen tödlichen Ausschlägen kurz mit knappen Zitaten mehrerer Wissenschaftler. Der Text las sich wie: Hier die Wahrheit – dort der Irrtum. Hier die guten Virologen pro Lockdown – dort die irrenden Propheten Streeck, Jonas Schmidt-Chanasit, Matthias Schrappe und Klaus Stöhr.“
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Ein Gedankenspiel: Im Podcast des Berlin Institute of Health vom 28. Februar 2020 sprach Christian Drosten über die Pandemie. Sie werde „die ganze Menschheit betreffen“, prognostizierte er. „Danach werden wir aber wahrscheinlich dieses Virus nicht los sein, sondern dieses Virus wird dann zu einem landläufigen Erkältungsvirus werden, davon gehe ich aus. Das wird also endemisch, wie wir sagen. Wir haben dann ein fünftes menschliches Erkältungs-Coronavirus. Das wird auch dann nur noch Erkältungen verursachen.“
Es sei aber „dann auch ein Schutzschild für die Menschheit“ gegen künftige Viren. „Dann wird sich das nächste Sars-ähnliche Virus nicht mehr verbreiten können, denn das ist wie eine natürliche Impfung für die gesamte menschliche Bevölkerung.“
Bei nüchterner Lektüre ist das eine auf virologische Erfahrung gestützte Prognose auf Jahre hin, die viel für sich hat. Sie ähnelt übrigens Aussagen jener Wissenschaftler, die der „Spiegel“ nun in den Senkel stellt.
Bei einer Lektüre jedoch, die skandalisierbare „Stellen“ sucht, würde man hier fündig. „Ein landläufiges Erkältungsvirus“, dessen endemische Ausbreitung ganz von selbst „eine natürliche Schutzimpfung“ besorgt – na bitte, da ist er: Drosten, der Corona-Verharmloser. Quod erat demonstrandum.
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Auch den Virologen Klaus Stöhr, früher Sars-Forschungskoordinator der Weltgesundheitsorganisation, zählte der „Spiegel“ zu den „Propheten auf dem Irrweg“. Er wiederum wirft dem Magazin „Mangel an journalistischer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit“ und eine „selektive Benutzung von Aussagen der betroffenen Wissenschaftler“ vor, „um die vorgefertigte Meinung zu verifizieren“.
Alle seine in jenem Artikel erwähnten Kollegen hätten Dutzende Aussagen getroffen. Überdies habe man seine Position, „den Fokus auf den Schutz der Risikogruppen“ zu legen, in ein „Allein Schutz der Risikogruppen“ verwandelt. „Das Verhalten erinnert an Aktivisten, die als Gutmenschen aus der ganzen Seele heraus eine richtige Sache unterstützen möchten.““
https://www.welt.de/wirtschaft/plus227760363/Corona-und-der-Spiegel-Die-Sortierung-der-Virologen.html
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