2021-01-24 20:33:09
So viel für heute zur Theorie, jetzt wieder Praxis:
Schulmedizin oder Germanische Heilkunde, Anthroposophie, Allopathie, Phytotherapie können sich ergänzen oder ausschliessen, je nach Fall und Geschichte. Laßt Euch nicht spalten, alle haben eine Berechtigung! Wir haben viele Ideen wie etwas läuft aus Lehrbüchern, Studien, Erfahrungen, also bringen wir einen Patienten mit unserer Theorie parallel und behandeln entsprechend. Aber wir können etwas falsch interpretieren, falsch diagnostizieren. Nicht jeder hat einen Ödipuskomplex, oder ein Problem mit der Ablösung von der Mutter. Wenn wir es schaffen den richtigen Ansatz zu erkennen, werden so viele unserer Kranken aus eigener Kraft gesunden, unsere sogenannte Hilfe muß entscheiden ob man sofort akut zupacken muß, oder ob es noch Zeit gibt die Selbstheilung anzuschubsen.
Eine 27jährige Mutter eines Kindes, vaginale Geburt vor 3 Jahren, schlanke, immer gesund essende Frau, mittzyklisch bei regelmäßiger Mens, ruft an, sie habe massivste Bauchschmerzen im rechten Unterbauch, muß sich krümmen, hat einmal erbrochen, keinen Durchfall, kein Fieber.
Obwohl sie fast 100km fahren muß zu unserem Krankenhaus fährt sie an der Universitätsklinik und mehreren anderen Krankenhäusern vorbei zu uns, weil sie von unserer etwas individuelleren Herangehensweise gehört hat. Ihr Mann fährt sie mit dem Auto zu uns, wir müssen sie mit dem Rollstuhl ins Untersuchungszimmer bringen, sie ist ansprechbar und leidet sehr. Laborergebnisse ohne Besonderheit, (Hb 11,4, L 9,8, CRP 6, Temp 36,8°C) deutliche massive Abwehrspannung im ganzen Abdomen, vorwiegend im rechten Unterbauch, im Ultraschall erkennen wir diskret freie Flüssigkeit, Uterus und Ovarien stellen sich unauffällig dar, das rechte Ovar scheint mit 4cm etwas größer als das linke mit 3,5cm.
Fakten: also: akuter Bauch, bei der Anamnese kommen eigentlich nur ein Zustand nach Ovarialcystenruptur oder eine Ovarialtorsion in Frage (Ovarialtuberculose oder Ovarialvenenthrombose sind nicht wirklich naheliegend).
Als Kliniker steht damit die Indikation zur sofortigen Laparoskopie.
Zusätzliche Fakten: sie ist bei niedrigen Temperaturen mit offenem Auto-Fenster gefahren, sie ist an mehreren Krankenhäusern vorbeigefahren nur um bei uns gut und zielgerichtet behandelt zu werde und sie fragt auch jetzt noch, ob man nicht auch etwas abwarten könnte und noch was anderes versuchen.
Welcher Konflikt bringt sie in diese Situation? Ich habe keine Ahnung.
Was also anderes versuchen? Ich bereite sie für die OP vor und verständige die Anästhesie, vorher gebe ich ihr 2 Globuli Pulsatilla C200.
OP Beginn in 20 Minuten möglich. Zu unserem Erstaunen geht es ihr in dieser Zeit zusehends besser und letzten Endes lehnt sie den Eingriff ab, es ist ja nun besser und nicht mehr nötig. Zum Ärger der OP Mannschaft blasen wir die Bauchspiegelung ab, nach weiteren 4 Stunden Beobachtung geht sie auf eigene Verantwortung wieder nach Hause. Telefonische Rückmeldung nach einer Woche: anhaltendes Wohlbefinden.
War es homöopathische Therapie (frische Luft, feilscht, will langsam getragen werden , indiziert Pulsatilla)?
War es eine Torsion und der längere Transport hierher hat das Ovar detorquiert?
Haben wir / hat sie schlicht Glück gehabt?
Haben ihr Mann und wir durch das ernst nehmen ihrer Situation genau wie sie war einen Konflikt gelöst?
Homöopathie ist für mich schlicht das: Wahrnehmen der spezifischen Reaktionen des Menschen in der Störung ohne jede Wertung. In diesem Fall findet sich ein ähnlichstes Mittel leicht, ob es hilft ist eigentlich fast egal, die Tatsache, daß ich es aussuche und gebe symbolisiert, daß ich den Patienten und seine Situation respektiere, schon das läßt die Heilung beginnen.
Ich hoffe fest darauf immer mehr derartige Möglichkeiten zu bekommen, die individuellen Reaktionsmuster der Patienten zu unterstützen. Dann ist es auch okay wenn ich auch viele Ops machen muß, denn ich schließe nie aus, daß eben auch das Abgeben der Heilarbeit in einzelnen Fällen eben der richtige Weg sein darf. Und es können eben auch viele doch nicht nötig sein.
3.7K viewsB, 17:33