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3.6 'Tribalismus' 3.6.3 „Tribalismus“ in Ostafrika Der indigen | Nachrichten von Gestern und Heute

3.6 "Tribalismus"
3.6.3 „Tribalismus“ in Ostafrika
Der indigene Nationalismus in Ostafrika ist je nach Land unterschiedlich ausgeprägt. In manchen Fällen hat er das politische System stark beeinflusst und in den meisten Fällen ist in der Presse davon die Rede, dass dieser indigene Nationalismus überwunden werden müsse, z.B. mit mehr Demokratisierung. Als historische Beispiele, wie so eine Überwindung zustande kommen könnte, nennt der kenianische Autor Ngugi die Gründung Deutschlands und Italiens im 19. Jahrhundert. Andererseits behauptet der US-Anthropologe Rosen, dass indigener Nationalismus ein instinktiver Schutzmechanismus ist, um sozialen Konflikten aus dem Weg zu gehen (3). Meiner Meinung nach ist das kein gutes Argument für indigenen Nationalismus, da dieses „Konflikten aus dem Weg gehen“ mit modernen Machtstrukturen nicht vereinbar ist und eine Niederlage der Angehörigen dieser indigenen Nationen bedeuten würde. Ein nachvollziehbareres Argument ist, dass indigener Nationalismus gut sein kann, um interkulturellen Austausch diverser und somit nützlicher zu machen. Auf diese Weise kann eine fruchtbare und durch Falsifikation fortschrittliche nationale Identität entstehen. Dann ist jedoch die Definition als „Nationalismus“ fraglich, weil in dieser Form andere Nationalismen als prinzipiell gleichwertig anerkannt würden – untypisch für Nationalismus. Diesen Gedanken jedoch weitergeführt ist indigener Nationalismus sogar gut für eine plurale Demokratie, da durch die große Vielfalt an Nationen auch eine große Vielfalt an Parteien entsteht und eine Ein-Parteien-Herrschaft unwahrscheinlicher wird.

3.6.3.1 Tansania
In Tansania wurde nach der Unabhängigkeit 1961 Julius Nyerere Präsident. Er verstand, dass der Staat Tansania nicht alleine durch den gemeinsamen Weg in die Unabhängigkeit vereint war. Es gab daher viele staatliche Restriktionen, um indigen nationalistische Spaltung zu verhindern. So durfte im Radio beispielsweise nur Englisch, Kisuaheli und eine Maasai-Sprache gesprochen werden. Viel wichtiger waren jedoch seine Umverteilungskampagnen des Ujamaa-Sozialismus, die Förderung von Klassenbewusstsein und die Förderung der Vorstellung einer anpassungsfähigen Gesellschaft ohne traditionelle Vorgaben. Im Zuge der Umverteilung kam es auch zu großflächiger Durchmischung der Nationen in neuen landwirtschaftlichen Gemeinden, den Ujamaas, die die Entwicklung des Landes vorantreiben sollten.
Am Beispiel der muslimischen Minderheit in der Rufiji-Region werde ich in einem anderen Kapitel noch ausführen, wie Nyerere gescheitert ist und welche anderen großen Trennungslinien durch die tansanische Gesellschaft verlaufen. Am Islam scheint sich auch die einzige halbautonome Region Sansibar zu definieren. Doch die Sonderstellung Sansibars erklärt sich nicht durch indigenen Nationalismus, sondern durch die Geschichte dieser Insel: Aufgrund zahlreicher historischer Vorläufe trat sie erst 1964, also drei Jahre nach der Unabhängigkeit Tansania bei.
Bis heute verfolgt Tansania erfolgreiche staatliche Eingriffe, um das Entstehen von indigenem Nationalismus zu verhindern: Als im November 2018 die Cashew-Preise fielen und tausenden Ackerwirten die Privatinsolvenz drohte, kaufte der Staat hunderttausende Tonnen Cashews für den doppelten Preis. Da der Cashew-Export 15% der Auslandsdevisen für Tansania beschafft, hatte die Regierung zuvor ihren Anbau sehr gefördert. Da sie nun in Krisenzeiten die Verantwortung übernahm, führt das dazu, dass die Landwirte ihr Vertrauen in den Staat nicht verloren und sich nicht nach anderen indigen nationalistischen Institutionen umsahen. Für den Staat war dieses Manöver nicht wirtschaftlich: 17 Millionen Dollar der 180 Millionen in das Manöver investierten Dollar verlor er an Betrüger, die „Phantom-Cashews“ verkauften, und die realen Cashew-Nüsse verrotteten mutmaßlich im Laufe von 2019 in Lagerhallen. Ob sich der Notkauf gesamtgesellschaftlich gelohnt hat, hat noch niemand ausgerechnet.