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Auf der Gemeinschafts-Ebene wirtschafteten Vieh- und Ackerwirt | Nachrichten von Gestern und Heute

Auf der Gemeinschafts-Ebene wirtschafteten Vieh- und Ackerwirte lange symbiontisch: Traditionell fand ein reziproker Warenhandel statt, also ein Handel, der langfristig ausgeglichen war, weil mal die Viehwirte mehr gaben, mal die Ackerwirte (2). Dieses Gesellschaftssystem folgt also nicht der Tauschlogik, bei der zwei gleichwertige Objekte gegeneinander eingetauscht werden, und trotzdem versorgt es die gesamte Bevölkerung mit allen Waren, die entweder von Viehwirten oder von Ackerwirten erzeugt werden. Entlang dieser Wirtschaftsgruppen sind die unterschiedlichen Nationen entstanden, wobei die Fulani/Fulbe in der Viehwirtschaft überwiegen.
Historisch ist die Nation der Fulani/Fulbe (halb-)nomadisch viehwirtschaftlich tätig, und andere Nationen betrieben Ackerwirtschaft. Inzwischen verschwimmen die Grenzen deutlich und die Nationen in der Sahel-Zone diversifizieren ihre Landwirtschaftsformen (2). Das führt dazu, dass die Nationen nicht mehr von dem reziproken Handel abhängig sind, und sich die Symbiose langsam auflöst. Dass weder Fulani, noch zum Beispiel die traditionell ackerwirtschaftenden Dogon auf die anderen Nationen angewiesen sind, führt zu einer Entfremdung voneinander. Die Nationen stehen nun in Konkurrenz um die abnehmenden Ressourcen Land und Wasser, weil sie beide unabhängig voneinander sein wollen. Diese Gemengelage bedingt den indigenen Nationalismus und der indigene Nationalismus bedingt den Wunsch, unabhängiger voneinander zu sein. Diese Interessen sind nicht miteinander vereinbar (4) und sind mit zahlreichen Situationen europäischer Nationalismen zu vergleichen – ein weiteres Indiz dafür, dass „Tribalismus“ ein rein herabsetzender Begriff ist.
Der Konflikt wird in vielerlei Hinsicht ausgetragen: In Niger und Nigeria stehlen unterlegene ehemalige Viehwirte Vieh von traditionellen Ackerwirten, um es zu verkaufen (3). Seit 2011 hatten sie als Milizionäre Auftragsarbeiten für lokale Politiker ausgeführt, wodurch sie Waffen und Taktik beigebracht bekamen. Aus diesen Viehdieben und Milizionären entstanden in den letzten Jahren die berüchtigten „Banditen“, die inzwischen auf Motorrädern Dörfer überfallen und auch Menschen entführen. Da der Staat diesen Konflikt lange Zeit ignorierte, hatten die Akteure Zeit, sich zu professionalisieren: Inzwischen sind sie professionelle Geldwäscher, benutzen Überwachungsdrohnen und können Kampfjets niederschießen. Auch zu dschihadistischen Gruppen sollen angebliche Verbindungen bestehen und die „Banditen“ gelten für den nigerianischen Staat seit kurzem als „Terroristen“. Ich persönlich halte diese Entscheidung für einen institutionellen Fehlgriff, da er den sozialen Hintergrund dieses Konflikts komplett verdrängt – ein Trend, der auch in Ostafrika zu erkennen ist. Gegen die „Banditen“ bilden sich seit Mitte der 2010er auch zunehmend Selbstverteidigungsmilizen in den meist traditionell ackerwirtschaftenden Dörfern. Um nicht von einer Gewaltspirale zu sprechen, ist es inzwischen zu spät.
Mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen, mit kolonialen Grenzziehungen, mit der Diversifizierung der Landwirtschaft (3), mit scheiternden staatlichen Institutionen, kulturellen Differenzen (3), weltweit hohen Lebensmittelpreisen und dem Klimawandel nehmen die gewaltsamen Konflikte zu. Ein weiterer Faktor, der zur Eskalation der Konflikte seit den 1980ern beiträgt ist die Verfügbarkeit von Handfeuerwaffen (2). In Nigeria ist die AK-47 sogar zum Erkennungszeichen für Fulani-Viehwirte geworden. Die Stigmatisierung der Fulani als ignorant, unzivilisiert und dschihadistisch findet in der gesamten Sahelzone statt, sobald dschihadistische Milizen aktiver werden. Zuletzt ließ sich dieser Trend im Norden der Elfenbeinküste beobachten. Die Stigmatisierung feuert den Konflikt an, weil so Dialog-Versuche staatlicher Vertreter, wie des Gouverneurs von Zamfara, oder der malischen Militärregierung diskreditiert werden.