2022-08-23 15:53:30
JEDES TRAUMA BRAUCHT EINEN ZEUGEN.
Meine 1. Trauma Therapie Sitzung.
Ich habe mich die letzten Jahren viel mit seelischen Traumata befasst.
Habe Seminare besucht, Bücher gelesen, bin Menschen. Therapeuten, Wegbereitern und Überlebenden begegnet.
Gestern war nun meine 1. eigene Trauma Therapie Sitzung.
Ich weiß weder etwas über die Frau die mich auf dem Hotel Zimmer besucht, noch habe ich ihre Website aufgerufen, ich habe nichts überprüft.
Ich hörte auf eine Empfehlung.
So tue ich es immer. Dann frage ich mein Bauchgefühl.
Dieses liegt immer richtig.
Immer.
Da steht sie also im Türrahmen.
Diese Frau.
Ich schaue sie an. Sehe in ihre Augen.
Und ich weiß es sofort.
Sie sieht, sie versteht, sie weiß.
Alles.
Auf einer Ebene die keine Worte braucht.
Ohne eine höfliche Floskel zur Begrüßung sage ich es:
Ich bin so scheiss genervt, so wütend. Ich könnte schreien.
Sie nickt, sie versteht.
Dann weine ich.
Ich weiß es darf sein.
Sie kann das halten. Es ist ok.
Ich vertraue dieser wildfremden sympathischen, älteren Frau bis in meine letzte Zelle.
Was die nächsten 2 Stunden in dem großen, hellen Hotelzimmer passiert kann ich schwer in Worte fassen.
Es ist der Beginn meiner Heilung.
Wir gehen den Unfall nochmal durch, meine Gefühle, ich beschreibe was passiert ist.
Was MIR passiert ist, wir gehen zurück an den Ort der Angst, der Ohnmacht, der Hilflosigkeit. Welcher gleichzeitig der Ort der höchsten spirituellen Kraft und ein Erleuchtungsmoment war.
An die Schwelle von Leben und Tod.
Ich muss ihr nichts erklären. Sie weiß es. Denn sie war selbst da.
Sie hat nur knapp überlebt.
Sie tupft mir den Rotz von der Nase.
Ich lese ihr meinen Erfahrungsbericht des Unfalls vor.
Sie schließt die Augen, ihre Hände sind wie beim Gebet Richtung Himmel geöffnet.
Eine Grenzerfahrung die wir teilen.
Sie versteht was ich meine als ich sage, ich will da nicht weg, ich will das nicht verlieren.
Sie weiß was ich meine.
Sie kennt diese Kraft.
Sie weiß was ich meine als ich sage, ich hänge fest zwischen dem alten Leben und dem Neuen, als ob ein Teil von mir in der Wüste verloren ging.
Sie bedankt sich.
Bei mir.
Es ist ganz still, warm und ruhig.
Es ist heilig.
Sie kommt wieder. Diese Frau. Nächste Woche.
Die Frau die alles weiß weil sie das Leben kennt. Und den Tod.
Und damit sind wir alleine.
Ausgeschlossene.
Die ins Leben zurückfinden müssen.
Zurück finden Mussten.
Durften.
Das Leben danach. Mit dem Davor.
Und ich erkenne die Dimension dahinter.
Die Chance.
Und die grenzenlose Liebe.
Diese grenzenlose Liebe.
JEDES TRAUMA BRAUCHT EINEN ZEUGEN.
Nina Maleika, Hamburg, 23.8.2022
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