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Junge Liebe Wenn meine Seele einsam dämmert, Wenn sie nicht s | 𝕯𝖊𝖚𝖙ſ𝖈𝖍𝖊𝖗 𝕷𝖎𝖙𝖊𝖗𝖆𝖙𝖚𝖗𝖐𝖆𝖓𝖆𝖑

Junge Liebe

Wenn meine Seele einsam dämmert,
Wenn sie nicht schläft, doch auch nicht wacht,
Die Stirne, drin der Tag gehämmert,
Sich kühlt im Traum der linden Nacht,
DAnn tauchen aus der fernsten Ferne
Vor mir zwei dunkle Augen auf,
Zwei herrlich helle Himmelssterne.
Mein ganzes Innres ruht darauf,
Ruht auf den Augen, die voll Schweigen
Und doch voll innerstem Verstehn
Aus unbegreiflich schönem Reigen
Ins Zwielicht meines Herzens spähn.
Sie wollen still die Falten lesen,
Worauf mein urgeheimstes Gut,
Auf dunkelm Blatt mein tiefstes Wesen
in sonnenhaften Zügen ruht.
Ich spüre, wie die Augen leuchten,
Ihr Strahl in froher HOffnung flammt,
Wenn mir im Blick, im andachtsfeuchten,
Ein Funke glüht, der Gott enstammt.
Doch spür' ich tiefer noch ihr Trauern,
Wenn Leiden, das ich selbnst gewollt,
In blitzdurchzuckten Wetterschauern
Durch meiner Seele Abgrund rollt.
So geht die Nacht. In Licht gebadet
Trink' ich der Augen füßen Schein,
Vom Strahl des Doppelten begnadet,
Bin ich so stark, so gut, so rein!
Dann fahr' ich auf! Die INseln schwimmen
Des ersten Rots im Morgenkreis.
Die Welt erschallt von rauhen Stimmen,
Das TAgwerk geht im Sorgengleis.
Ich aber taumle heimwehtrunken,
Das Herz so warm, das Herz so arm,
Die Sterne suchend, die versunken,
Ein Träumer in dem Menschenschwarm!

Jakob Christoph Heer 1859 Töss - Zürich 1925