2021-12-04 00:08:54
@Gesundheitswesen_in_der_Krise
Hallo,
Dies ist nun mein 2. Erfahrungsbericht. Ich bin Krankenschwester und seit 2017 Wohnbereichsleitung in der Altenpflege. Über unseren Coronaausbruch habe ich ja bereits berichtet. Seitdem hatten wir im Haupthaus nicht einen Fall mehr. Nur auf der Kurzzeitpflege 2x. Die haben es von draußen mitgebracht. Weitere Infizierte gab es nicht.
Bei uns sind 90% der Mitarbeiter geimpft und inzwischen auch schon geboostert. Nebenwirkungen sind aufgetreten in Form von Herzproblemen, tiefe Beinvenenthrombose, allgemeine Schwäche, also stark eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit, Rücken- und Skelettbeschwerden, Luftnot, Vergesslichkeit usw. Allgemein sehen meine Kollegen aschfahl und blass aus. Von Bewohnern und Kollegen habe ich jetzt mehrfach den Satz gehört: "Seit der Impfung habe ich mich verändert, ich bin nicht mehr ich selber." Das gibt mir schon sehr zu denken. Auch finde ich, wie viele Kollegen auch, dass sich die Grundprobleme und -erkrankungen verstärken. Viele Kollegen sind krank geworden und der normale Betrieb auf dem Wohnbereich konnte nur mit Zeitarbeit einigermaßen aufrecht erhalten werden. Das führte zu Beschwerden und Unzufriedenheit. Die Mitarbeiter im Dienst haben bis zum Umfallen geschuftet. Wir Leitungen haben mehrfach die Probleme angesprochen, dass weitere Mitarbeiter ausfallen werden, die Doku leidet und gefährliche Pflege droht. Es kamen nur Beschwichtigungen, wie wir sollen doch mal versuchen uns anders zu strukturieren oder die Motivation hoch halten. Auf mehrere Gefährdungsanzeigen wurde nicht reagiert. Ich selber bin mit Impingement auch 5 Wochen krank gewesen und fand ein großes Chaos, als ich wieder zum Dienst kam. Meine Mitarbeiter alle fix und fertig, von Wut über Tränen und Resignation, es war schwer zu ertragen, waren wir doch immer ein super Team. Mir wurde berichtet, dass die freien Betten unbedingt belegt werden müssen, da wir sonst keinen Zeitarbeit mehr genehmigt bekommen. Es wurden also auch eingestreute Kurzzeitpflegen aufgenommen, was ja auch ein erheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Immer mehr Schwerstpflegefälle kamen dazu. Die Belastung einfach nicht mehr zu steuern. Krankenstand schoß weiter nach oben.
Und nun der Hammer: 3 WBL, darunter auch ich wurden zum Gespräch gebeten. Wir wurden mündlich davon in Kenntnis gesetzt, dass wir ab sofort dieses Amt nicht mehr inne haben. Wir würden es einfach nicht in den Griff bekommen und sie möchten es jetzt mit externer WBL versuchen.
Wir waren so schockiert, enttäuscht und wütend. Nicht mal irgendeine Möglichkeit vorher ein Gespräch zu führen, gar nichts. Mein Kollege wird einen Aufhebungsvertrag machen, meine andere Kollegin wieder als Fachkraft arbeiten, und ich habe mich wegen Psyche erstmal krank schreiben lassen. So gehen sie also mit Fachkräften um, gibt ja 10, die vor der Tür stehen und warten, wenn man geht.
Sie haben jetzt unsere Kurzzeitpflege geschlossen und die Mitarbeiter im Haus verteilt. Diese hatten vorher noch große Klappe, und sich immer aufgeregt über uns. Inzwischen haben sich auch einige krank gemeldet und gesagt, die Situation sei nicht zu ertragen. Gestern durften PDL undStellvertretung doppelt Dienst auf dem Wohbereich machen, weil erneut Mitarbeiter krank wurden. Ich kann mir ja ein breites Grinsen gerade nicht so verkneifen.
Bin mit Betriebsrat in Gesprächen, die haben auch noch nichts schriftlich, also eigentlich rechtlich nicht haltbar. Ich sitze das jetzt auf meinem Sofa aus und ruhe mich schön aus.
Ja Sofa ist schön, allerdings nervt da manchmal mein Mann, der es überhaupt nicht versteht, dass ich ungeimpft bin. Auch das sitze ich jetzt aus.
Ich möchte euch alle ermutigen standhaft zu bleiben. Wir können etwas bewegen. Je mehr krank werden, umso schwieriger wird es für das System. Seid mutig, lasst euch nicht unterkriegen und tauscht euch aus in der Gruppe. Lasst euch auffangen, wenn ihr einen Tiefpunkt habt.
Wir schaffen das.
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