2022-07-23 23:25:11
Nach Corona:
„Wir müssen das Immunsystem wieder trainieren“
Quelle: Saarbrücker Zeitung
Saarbrücken: Erkältungskrankheiten grassieren wie selten zuvor. Wäre es da nicht sinnvoll, weiterhin Masken zu tragen? Der Vorsitzende der Saar-Hausärzte hat dazu eine überraschende Meinung.
Nicht nur Corona-Infektionen sorgen für hohe Krankenstände, auch Atemwegserkrankungen erreichen derzeit Spitzenwerte.
Auch im Saarland liegt die Zahl der Erkältungs-Infekte laut einer Erhebung der IKK Südwest rund fünf Mal so hoch wie im Jahr 2021. Die IKK Südwest ist die zweitgrößte Krankenkasse im Saarland, sie vertritt 130 000 Versicherte im Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen. Auch die Barmer meldet überdurchschnittliche Krankenstands-Quoten. Ende Juni seien von ihren Versicherten, die einer Beschäftigung nachgingen, mehr als doppelt so viele mindestens einen Tag mit einer Atemwegserkrankung krankgeschrieben worden, es sei jeder fünfte betroffen (20,8 Prozent). Vor der Pandemie 2018 seien es zum gleichen Zeitpunkt nur 8,7 Prozent gewesen, in den Coronasommern lag der Wert bei 5,6 (2020) und 7,4 (2021).
Diese Situation belastet auch die Arztpraxen. Michael Kulas, der Vorsitzende des saarländischen Hausärzteverbandes, spricht von einer „ungewöhnlich hohen Frequenz“ für diese Jahreszeit. Die Symptome seien heftig und oft nur sehr schwierig von Corona-Erkrankungen zu unterscheiden, denn es handele sich sehr häufig um Bronchialbeschwerden. Bakteriell ausgelöste Halsentzündungen (Angina) oder Lungenentzündungen seien dem hingegen seltener, Antibiotika würden kaum verschrieben, so Kulas.
Nach Corona: „Wir müssen das Immunsystem wieder trainieren“
Die Ursache dafür sieht er wie viele Experten darin, dass während der Corona-Zeit Abstands- und Maskenpflicht auch die Übertragung der Erkältungs- und Grippeviren eingedämmt hätten. Dadurch wurden auch weniger Abwehrkräfte durch Antikörper aufgebaut. „Wir haben zwei Jahre lang zurückgezogen gelebt, haben nahezu alle Infekte vermieden oder verhindert“, sagt Kulas.
„Wir müssen wieder zurück zu einem normalen Leben, dazu gehört auch, dass wir uns die Hände geben und uns umarmen.“ Zu erleben sei jetzt, was passiere, wenn das Immunsystem auch durch große Hygienemaßnahmen allzu sehr geschont werde: „Wir müssen es wieder trainieren“, so Kulas.
Masken in geschlossenen Räumen sinnvoll, aber...
Deshalb hält Kulas auch das flächendeckende generelle Maskentragen auf Dauer nur bedingt für sinnvoll. Die Maske sei „nichts Natürliches“, sagt er, weiß jedoch auch um die politische Dimension von Äußerungen in diesem Zusammenhang. Denn in der Berliner Ampelregierung wird darüber gestritten, ob es ab Herbst womöglich wieder eine Maskenpflicht geben könnte. Deshalb will Kulas nicht falsch verstanden werden: Er rufe nicht dazu auf, alle Masken wegzuwerfen.
In geschlossenen Räumen, die von vielen Menschen frequentiert würden, seien Masken bei hohen Corona-Inzidenzen sinnvoll. Er beobachtet jedoch, dass zu viele Menschen immer noch zu große Ängste hätten, die Maske auch mal abzulegen. Kulas ermutigt dazu, selbstverantwortlich zu entscheiden, wo man die Maske aufsetze und wo nicht, und wie effektiv man sich schützen wolle oder müsse, nicht nur vor Corona. Fest steht für ihn: „Wir müssen unser Immunsystem wieder hochfahren.“
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