2021-10-23 10:57:28
Meine Antwort:
Da ich das kaum anders sehe, ist das hier ein Problem der Begrifflichkeiten, allerdings sehr subtiler Begrifflichkeiten, so dass ich nicht sicher bin, ob das in Worten überhaupt vermittelbar ist. Ich versuche es mal.
Das von Krishna symbolisierte göttliche "Ich" ist vom Ich anderer Menschen nicht getrennt, weil Gott überall und in jedem ist. Mit diesem wahren "Ich" sehen wir Gott und damit uns selbst in jedem anderen Menschen.
Dem steht das Ego allerdings entgegen. Ego sieht sich von anderen getrennt. Ohne Ego gäbe es eigennützige, materialistische und egoistische Ideen zu unserem Vorteil und zum Nachteil anderer nicht.
Vielleicht hilft bei der Unterscheidung, die drei Ebenen des menschlichen Geistes zu sehen. Wir haben den spirituellen Geist, der unsterblich ist, und wir haben den mentalen und energetischen Geist, der jeweils sterblich ist.
Unser sterblicher Geist ist an diese Welt von Raum und Zeit gebunden, weil er mit dem Tod unseres physischen Körpers ebenfalls stirbt (bei Dementen stirbt der mentale Geist schon früher). Auf dieser Ebene ist unser Ich eine Person, die wir so brauchen, um in dieser Welt funktionieren zu können. Eine wesensmäßige Identifizierung damit, z.B. mit unseren ideologischen und/oder religiösen Konzepten und Glaubensvorstellungen (mentaler Geist) oder mit unserem Besitzstand oder unserer Leistungsfähigkeit (energetischer Geist), stellt ein direktes Hindernis dar, uns als unser wahres Selbst, unser wahres Ich, erleben zu können und kann auch nur Konflikte mit anderen erzeugen (z.B. ideologische oder religiöse Streitigkeiten, Gerangel um Besitz und Kontrolle, sowie das Streben, andere zu übertreffen).
Unser unsterblicher Geist, also unser spiritueller Geist, ist gekennzeichnet durch Freude und Glück und leidet unter deren Abwesenheit durch Kummer und Leid, durch Liebe, Mut und Vertrauen und leidet unter deren Abwesenheit durch Angst, und durch Unschuld und Frieden und leidet unter deren Abwesenheit durch Schuld- und Schamgefühle und Wut.
Durch eine zu starke Identifizierung mit unserer sterblichen Person entwickeln wir nur Angst vor dem Verlust dieser vergänglichen Dinge, an die wir uns gebunden haben, Kummer über einen Verlust und Schuldgefühl und Wut, wenn sich Angelegenheiten nicht so entwickeln, wie wir es wollen.
Durch Kummer, Angst und Wut fühlen wir uns von anderen getrennt (Bewusstsein von Trennung = Ego). Durch Freude, Mitgefühl und Vergebung fühlen wir uns mit anderen eher verbunden und eins. Ego steht dem Erleben unseres wahren Ichs also direkt entgegen.
Unser von Negativität gereinigter, unsterblicher Geist ist unser wahres Selbst. In der Liebe ist unser Ich (Krishna) also nicht vom Ich anderer Menschen getrennt. Dieses Ich stärken wir in unserer zwischenmenschlichen Kommunikation zum Beispiel dadurch, dass wir wo immer praktikabel besser von "Wir" sprechen als von "Ich". Das "Wir" verbindet und stärkt Liebe, Mitgefühl und Verbundenheit, das Erleben, dass wir in der Liebe nicht von anderen getrennt, sondern mit ihnen verbunden sind.
Die häufige Verwendung des Wortes "Ich" stärkt eher unser Bewusstsein von Trennung, also unser Ego. Sie stärkt auch unsere Identifizierung mit dem Vergänglichen, welche wiederum unsere zwischenmenschlichen Konflikte stärkt, welche zu Kummer, Angst, Schuldgefühle und Wut führen, die unser wahres Ich schwächen und überlagern.
Das "Wir" stärkt eher unser wahres Ich, in dem wir mit anderen eins sind.
Damit unser wahres Ich stärker wird, müssen wir unsere Identifizierung mit dem Vergänglichen, über das wir uns definieren, zurücknehmen.
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