2022-01-12 12:46:31
Erste Anzeichen einer Regierungskrise und Wahlen des neuen PräsidentenNeues Jahr, alte Probleme: Auch im 2022 findet Italien keine institutionelle Ruhe. Am Montag 10. Januar hat Premierminister Mario Draghi wieder einmal an einer Pressekonferenz gesprochen. Gesagt hat er schlussendlich wenig (vor allem unterstich er erneut die Kritik an Impfgegner*innen); die tatsächlichen Probleme Italiens - weitere Prekarsierung der Arbeit, die fehlenden sozialen Massnahmen gegen die andauernde Corona-Krise, Preiserhöhung von Primärgüter - wurden nicht angesprochen. Viele interpretieren diese Medienkonferenz als erstes Anzeichen eines auseinanderfallenden institutionellen Konsens rund um Mario Draghi.
Die kommenden Tage werden nicht weniger turbulent sein. Denn am 24. Januar 2022 wird der neue Präsident der italienischen Republik gewählt. Der amtierende Präsident Sergio Matarella ist nicht bereit, ein zweites Mandat anzutreten. Seit Wochen schon wird spekuliert, ob nicht gerade Mario Draghi sein Nachfolger werden könnte. Sein Übergang zum Präsidenten der Republik könnte aber ein institutionelles Erdbeben auslösen und die mit Draghi erlangte Stabilität der (Finanz-)märkte stören.
Die nächsten 18 Monate sind entscheidend. Die Erneuerung des Parlaments findet im 2023 statt. Bis dahin sollte der vor genau einem Jahr von Matarella eingesetzte Mario Draghi Italien aus der Corona-Krise führen und eine politische Stabilität herstellen. Mit seinem vorzeitigen Abgang aus der Regierung riskiert Italien vorgezogene Wahlen und somit ein politisches Chaos in einer politisch schwierigen Phase (erneute starke Zunahme von Corona-Fällen, Druck auf Krankenhäuser und Intensivstationen, Streit um die Wiedereröffnung der Schulen, Inflation und Preiserhöhungen, etc.).
Silvio Berlusconi und Forza Italia haben gedroht, ihre Unterstützung einer neuen technokratischen Regierung zurückzuziehen und somit vorgezogene Wahlen zu verursachen, falls Draghi im Januar 2022 Präsident wird. Gerade Berlusconi ist sein stärkster Konkurrent, da er seine politische Karriere mit dem Präsidentenposten krönen will; seit einigen Tagen schon ist er im Parlament auf Stimmenfang.
Es gibt aber auch andere Positionen innerhalb des proeuropäischen Lagers: Würde Draghi nicht Präsident, sei das Problem nur aufgeschoben; im 2023 finden in Italien wieder Wahlen statt und die Wahrscheinlichkeiten sind sehr gering, dass Draghi als politischer Kandidat seinen Posten bestätigt. Im Gegenteil: rechtspopulistische, ultrakonservative und europakritische Kräfte sind in den letzten Jahren stark gewachsen und könnten bei Neuwahlen gewinnen.
Viele befürworten also einen Übergang von Draghi zum Präsidenten der Republik heute - und eine Transformation des italienischen Systems hin zu einem Präsidialsystems französischer Art - als einen definitiven Abgang Draghis aus der italienischen Politik im Jahr 2023.
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