2021-08-29 19:12:38
WISSENSWERT
Letzter Verzweiflungsakt? IWF pumpt größte Geldsummer seiner Geschichte ins FinanzsystemTeil 6 von 8
Die Verantwortlichen wissen, dass es zu spät ist. Doch sie wollen ihrem Herrn ein letztes Mal dienen.
Pumpt eine riesige Summe ins Finanzsystem: Der IWF. Ernst Wolff analysiert den einzigartigen Vorgang.
Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.
Die Welt erlebt zurzeit eine historisch nie dagewesene Geldschwemme. Regierungen und Zentralbanken haben seit März 2020 bereits mehr als zwanzig Billionen Dollar ins globale Finanzsystem eingespeist, um dessen Zusammenbruch zu verhindern.
Am Montag dieser Woche hat der Internationale Währungsfonds (IWF) ebenfalls eingegriffen und 456 Milliarden Sonderziehungsrechte (SZR) an seine 190 Mitglieder vergeben. Die Summe entspricht einem Wert von 650 Milliarden US-Dollar oder 548 Milliarden Euro und ist die höchste, die der IWF je ausgezahlt hat.
Kristalina Georgiewa, geschäftsführende Direktorin des IWF, sprach von einer „historischen Entscheidung.“ Die SZR-Zuteilung werde „Vertrauen schaffen und die Widerstandsfähigkeit und Stabilität der Weltwirtschaft fördern" und darüber hinaus „insbesondere unseren schwächsten Ländern helfen, die mit den Auswirkungen der COVID-19-Krise zu kämpfen haben."
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz lobte das Eingreifen des IWF als eine „richtige und angemessene Reaktion auf die Corona-Pandemie“ und hob hervor, dass insbesondere Schwellen- und Entwicklungsländern „ein neuer Schub bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gegeben“ werde.
Beide Äußerungen erweisen sich bei näherer Betrachtung allerdings als politisch motivierte Falschaussagen. Tatsächlich bewirkt das Vorgehen des IWF nämlich keine Verbesserung, sondern eine Verschärfung der überaus angespannten Weltlage.
Der Run aufs Gold in den 1960ern: die Geburtsstunde der SZRUm die Bedeutung der SZR zu verstehen, muss man sich daran erinnern, dass unser gegenwärtiges, 1944 in Bretton Woods geschaffenes globales Finanzsystem rund um den US-Dollar herum aufgebaut ist und dass der IWF 1945 von den Vereinigten Staaten ins Leben gerufen wurde, um das System in Krisenzeiten zu ihren Gunsten „stabilisieren“ zu können.
Die Entstehungsgeschichte der SZR geht auf die Ereignisse Mitte der 1960er Jahre zurück, als das weltweite Ausufern der Dollarmenge ein immer größeres Missverhältnis zur global vorhandenen Goldmenge erzeugte.
Da sowohl US-Dollars als auch Gold als bevorzugte Währungsreserven genutzt wurden und es zu einem immer stärkeren Run auf den Dollar kam, wurden 1969 die SZR geschaffen und als Äquivalent zu circa 0,9 Gramm Feingold definiert, was damals einem US-Dollar entsprach. Der Eingriff brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Die Nachfrage nach Gold nahm weiter zu, so dass sich die USA im August 1971 gezwungen sahen, den Dollar vom Gold zu entkoppeln.
Die SZR wurden trotzdem als Krisenwährung beibehalten. Um sie nach der Freigabe der Wechselkurse im Jahr 1973 an die neue Situation anzupassen, wurde ihr Wert ab 1974 an den eines Währungskorbes mit den sechzehn weltweit wichtigsten Währungen gekoppelt. Von 2001 bis 2016 enthielt dieser Währungskorb dann allerdings nur noch den US-Dollar, den Euro, das britische Pfund und den japanischen Yen. Seit 2016 ist der chinesische Renminbi (Yuan) ebenfalls im Währungskorb enthalten.
Die SZR kamen bisher nur einmal in großem Maßstab zum EinsatzZwischen 1969 und 2020 hat der IWF seinen Mitgliedstaaten insgesamt 204,2 Milliarden SZR zugewiesen, was einem Wert von etwa 290 Milliarden US-Dollar (rund 244 Milliarden Euro) entspricht.
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