2022-06-12 19:57:38
Na, komm, Kevin, war doch alles super damals in der DDR:
Die Wohnungen kosteten so gut wie nix, und man musste auch nicht mit 100 Bewerbern in der Schlange stehen, weil der Staat sie einem einfach zugeteilt hat. Kein Kopfzerbrechen mehr, in welchem Viertel und in welcher Nachbarschaft man wohnen möchte - ist doch super, wenn der treusorgende Vater Staat einem alle nervigen Entscheidungen abnimmt.
Es gab gute Nachbarschaft, man kannte sich und wusste alles übereinander, weil man durch die Löcher in den Wänden jedes Wort aus der Wohnung nebenan mithören konnte. Und wenn man vor dem Gemeinschaftsklo im Hof oder - bei der Luxusvariante - im Zwischenstockwerk traf, war das stets ein. Nichts erzeugt ein authentischeres Wir-Gefühl als der vereinte Kampf gegen den Kackstift, während man gespannt darauf wartete, dass Onkel Erwin auf der Südseite des Klotüre nach erfolgreicher Verrichtung endlich die traditionelle Tageslosung "zehn Pfund ohne Knochen" ausrief, und dann das erlösende Geräusch der Klospülung, das einen wissen ließ, sie funktionierte noch.
Auch die Überputz-Stromleitungen im Treppenhaus hatten ihre Vorteile: Wenn es beim heimlichen Westfernsehen mal wieder zu einer unerwarteten Kurzschlussreaktion kam, musste man nicht erst mühsam alle Wände aufkloppen, um das angekokelte Teilstück Klingeldraht ausfindig zu machen, dem wohl etwas zu viel zugemutet wurde. Zumal die aufgerissenen Wände nie jemand wieder zumachte, weil sich beim vielgelobten sozialistischen Gemeinschaftseigentum alle so dermaßen lautstark darum stritten, wem die Ehre zuteil wurde, dem Wohnkollektiv diesen Liebesdienst zu erweisen, dass man am Ende meist die weise Entscheidung traf, des lieben Hausfriedens willen niemadem dieses Privileg zuteil werden zu lassen, damit sich bloß keiner benachteiligt fühlt.
Ein Wohnerlebnis der Extraklasse mit unverfälschtem historischen Bezug boten jene Häuser, die noch weitgehend im Originalzustand waren. Also nicht im Originalzustand der Erbauung, sondern in jenem von 1945, kurz nachdem die Royal Airforce chirurgisch präzise ins Stadtdesign eingegriffen hatte. Speziell im Sommer war das besonders schön, wenn die Sonne von der Seite mit der fehlenden Hauswand alles mit Licht und Wärme flutete.
Apropos Wärme: Ja, da geht einem das Herz auf. Diese menschliche Wärme kann man im kalten Kapitalismus und seinem freien Wohnungsmarkt lange suchen nirgends menschelt es so von Herzen wie dort, wo man dank Mietpreisbremse vor Zins, Wucher und imperialistischer Ausbeutung geschützt war. Und vor allem vor dem lästigen Lärm und Dreck, den Handwerker bei Sanierungsarbeiten regelmäßig verursachten.
Es war nicht alles schlecht im real erodierenden Sozialismus!
https://www.focus.de/politik/deutschland/spd-general-kuehnert-will-bei-wohnungen-noch-mehr-sozialismus-als-in-der-ddr_id_107958575.html
16.4K views16:57
D
