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Der Genickbruch der heutigen Linken Ideologie Warum ich nicht | 𝘼𝙣𝙩𝙞𝙨𝙤𝙯𝙞𝙖𝙡𝙞𝙨𝙩𝙞𝙨𝙘𝙝𝙚 𝘼𝙠𝙩𝙞𝙤𝙣 ✪

Der Genickbruch der heutigen Linken Ideologie

Warum ich nicht mehr links bin

MARIO THURNES

Di, 4. Januar 2022

Pressesprecher und fest angestellter Redakteur bei der Frankfurter Rundschau war unser Autor Mario Thurnes. Heute will er kein Linker mehr sein. Obwohl sich seine Haltung in den wichtigsten Fragen nicht geändert hat.

Ich bin gebürtiger Linker: Mein Vater war Maurer und hat vor seinem tödlichen Unfall auf EDV-Experte umgeschult. Mein Stiefvater, den ich wie einen Vater liebe, war Bergarbeiter. Gute Löhne, faire Arbeitsbedingungen und bezahlbares Wohnen, Essen oder Heizen waren für uns als Familie zentrale Fragen. Das Versprechen auf ein soziales Netz, durch das keiner durchfallen könne, hat das Leben obendrein entspannt.
Doch nicht nur in politischen Fragen war ich ein Linker. Mir war es immer lieber, meine Zeit mit Linken zu verbringen. Rechts war Dorf, Katholische Kirche und Normativität. Links war Stadt, Religionskritik und der Mut, Gedanken auch mal gegen den Strich zu bürsten. Querdenker war ein positiv besetzter Begriff. Und links. Rechte wollten von Dir, dass du dem Pfarrer nicht widersprichst – Linke fanden’s gut.


meisten meiner Freunde sind links. Heute fürchten sie Diskussionen. Gar nicht mal so sehr mit Lautsprechern wie dem Wendler oder dem veganen Koch. Darauf sind sie vorbereitet. Gegen so einen dagegen zu halten, ist ein Aufenthalt in der Komfortzone. Beklommen verhalten sie sich, wenn ich sie nach der grundsätzlichen Strategie hinter der Corona-Politik frage. Sie weichen aus, wenn ich sage, wer einen Verzicht auf Wohlstand zum Zwecke des Klimaschutzes wolle, der solle das auch offen fordern und nicht immer nach Hintertüren suchen. Zwischentöne hassen sie. Widersprüche fürchten sie.

Die allermeisten meiner Freunde arbeiten im Journalismus, akademischen Betrieb oder in der Politik. Diese Berufe haben eins gemein: Normativität gilt immer stärker als Voraussetzung. Ein Beispiel: Die Grünen zogen 2011 in Rheinland-Pfalz direkt von der Außerparlamentarischen Opposition in die Landesregierung ein. Sie suchten dringend Mitarbeiter. Eigentlich galt jeder, der schon vorher für sie tätig war, als gesetzt. Bis auf einen Kollegen. Der engagierte sich stark im Kampf gegen das Rauchen. Der Koalitionsvertrag mit der SPD ging ihm in dem Punkt nicht weit genug. Das sagte er auf einer Podiumsdiskussion, an der auch seine Chefin teilnahm. Danach war er raus.
Nichts kann im politischen Betrieb so schnell und nachhaltig eine Karriere ruinieren, wie eine öffentlich vertretene abweichende Meinung oder ein unbeherrschter Auftritt. Da ist es nur eine Konsequenz, sich der Normativität unterwerfen zu wollen. Die andere Konsequenz ist, sich klare Fronten zu wünschen. Denn es fällt wesentlich schwerer, sich einer Linie anzupassen, wenn diese Linie nicht klar erkennbar ist. „Wir hier – die Wendlers da“, ist folglich eine dankbare Situation. Menschen, die eine sinnvolle Alternative aufzeigen, stehen indes für Gefahr. Der Wunsch nach materieller Sicherheit ist für viele – egal ob links oder rechts – der stärkste Antrieb. So erweitern viele im Freund-Feind-Denken lieber die Gruppe der Feinde, als zu riskieren, am Ende mit einer abweichenden Meinung dazustehen.
Dass Linke heute keine Widersprüche mehr akzeptieren, zeigt sich am deutlichsten im Umgang mit dem Islam. Religionskritik galt früher als eine Säule, auf der die Linke gestanden hat. Allzumal wenn die Religion archaisch daher kam. Und patriarchalisch. Wenn Frauen unterdrückt wurden, wenn Männer ihnen ihre Vorstellung vom Leben vorgeschrieben haben.

Nun ist der Islam in Deutschland mit der Einwanderung verbunden. Und alles was mit der Einwanderung zu tun hat, hat gut zu sein. Zwischentöne und Widersprüche darf es nicht geben. In diesem Punkt erst recht nicht. Und deswegen verneinen die deutschen Linken alles, was an Negativem mit der archaischen Ausübung des Islam verbunden ist – einige wollen sogar die Kritik daran gesetzlich als rassistische Tat verbieten.